Anlässlich des 125 Jahre Jubiläums werfen wir einen Blick auf die Geschichte des Familienunternehmens. Wir gehen die grössten Skandale der letzten Jahrzehnte gemeinsam durch; Pelz- und Plastikröhrliverbot, Vegi Metzg und der Avocadoverzicht.
Wie das Unternehmen vom verstossenen «Vegetarierheim & Abstinenzcafé» den Aufstieg zu einer der bekanntesten und innovativsten Brands geschafft hat, wie sie mit dem Fachkräftemangel in der Branche umgehen, und warum Tibits nicht das gleiche wie Hiltl ist, erklärt Patrick Becker – Leitung Marketing & Kommunikation, Guest Relations und Design in dieser Folge von Let’s Talk Strategy.
Was du in dieser Folge lernst:
Wie sie aus einem Restaurant ein Unternehmen mit verschiedensten Einnahmequellen und Kooperationen aufgebaut haben
Wie sie es geschafft haben, ein Traditionshaus zu einem Ort für Innovationen zu transformieren
Wie Hiltl mit dem Fachkräftemangel umgeht
Die Gründungsgeschichte von Hiltl
Alles begann mit Ambrosius Hiltl – der an Gelenkrheuma erkrankte – und auf Rat seines Arztes das «Vegetarierheim» besuchte. Er wurde überraschend schnell gesund, verliebte sich in die dortige Köchin Martha Gneupel und heiratete sie. Die beiden übernahmen zusammen kurz darauf das 1898 gegründete Restaurant.
Doch damals genoss die fleischlose Küche wenig Ansehen in der Bevölkerung. Dem damaligen «Vegetarierheim & Abstinenzcafé» – bei dem wie der Name es bereits vermuten lässt, kein Alkohol ausgeschenkt wurde – gab die Bevölkerung sogar den Spitznamen «Wurzelbunker». Die Gäste wurden als Grasfresser verspottet und betraten das Restaurant lieber durch die Hintertüre.
125 Jahre Hiltl – Was bieten sie für wen an
Was mit einem einzigen Restaurant begonnen hatte, ist heute weit mehr: Zu Hiltl gehören 7 Restaurants, eine vegetarische Metzgerei, das Hiltl Catering und die Hiltl Akademie.
Der Erfolg kann jedoch nicht auf die steigende Zahl an Veganer:innen oder Vegetearier:innen zurückgeführt werden. Deren Anteil liegt 2022 in der Schweiz bei 5%. Nur 0,6 Prozent der Schweizer:innen gehören zur Kategorie der Veganer:innen.
Aber: Gemäss der Studie Plant Based Food Report verzichten 2022 60% der Schweizer Bevölkerung mehrmals im Monat bewusst auf tierische Lebensmittel. Damit gelten sie als Flexitarier:innen – die Kernzielgruppe von Hiltl.
Was die Kundschaft von Hiltl zudem auszeichnet, ist ihre Durchmischung. Von jungen hippen Leuten bis hin zu älteren Geschäftsleuten ist alles dabei. Was den meisten nicht klar ist: Knapp 75% des Buffets bei Hiltl ist nicht nur vegetarisch, sondern gleich vegan. Da Hiltl bei den Deklarationen aber auf eine gesonderte Ausschilderung mit dem Vegan-Zeichen verzichtet, ist dies den meisten gar nicht bewusst. Die Buffet-Lieblinge: das vegane Tatar, dicht gefolgt von den Jalapeños.
Eine weitere Charakteristik des Hiltl Buffets: Die auffallend vielen indischen Gerichte. Die Liebe zur indischen Küche führt zurück zu Margret Hiltl. Sie ging 1950 als offizielle Schweizer Delegierte nach Deli an Welt-Vegetarier-Kongress. Sie war sofort hin und weg von Land, Küche sowie Bevölkerung und brachte Gewürze und Rezepte zurück in die Schweiz. Doch hier teilte niemand ihre Begeisterung für die indischen Kreationen. So begann sie im 2. Stock des Haus Hiltl in ihrer Privatküche selbst zu kochen. Mit der Zeit kamen immer mehr Gäste aus Indien ins Hiltl essen und als dann die damalige Fluggesellschaft Swissair anfragte, ob sie für ihre indischen Passagier:innen kochen würde, war die Skepsis beim Küchenpersonal endgültig verflogen.
Die vegetarischen und veganen Gerichte sowie die Special Meals in allen Flugklassen der SWISS stammen bis heute aus dem Hiltl-Rezeptfundus.
Hiltl in den Schlagzeilen
Als ältestes vegetarisches Restaurant der Welt fand sich Hiltl schon des Öfteren in den Schlagzeilen wieder. So sorgte die Eröffnung der ersten vegetarischen Metzgerei der Schweiz vor 10 Jahren für Aufsehen. «Wer braucht denn sowas?!», hiess es 2013 in den Medien.
Dann der nächste grosse Aufschrei: ein veganer Eiersalat. «Kann ja nicht sein, dass man alles vegan machen muss! In einen Eiersalat gehören Eier!», hiess es.
Dass das Hiltl in ihren früheren Clubs – welche es mittlerweile nicht mehr gibt – Pelzmäntel verboten hatte, um ihre Werte zu vertreten oder sie keine Avocado-Gerichte anbieten, bot den Medien ebenfalls genügend Stoff für wutentbrannte Beiträge.
Wie geht Hiltl mit dem Fachkräftemangel in der Branche um?
Das Hiltl-Team besteht aus 300 Mitarbeitenden aus mehr als 80 Nationen.
Mit der starken Brand, dem Umgang mit den Mitarbeitenden und den Werten, die sie vertreten, unterscheiden sie sich von anderen Restaurantbetrieben. Dennoch hatten auch sie kurzzeitig einen grossen Fachkräftemangel. Mit verschiedensten Massnahmen – unter anderem einem Service-Roboter – konnten sie diesem aber schnell entgegenwirken. Welche weiteren Massnahmen sie ergriffen haben, und warum der Service-Roboter nicht nur auf Zustimmung stiess, erklärt Patrick Becker in der Podcast-Folge.
Du möchtest wissen, was die Marketingstrategie von Hiltl ist? Erfahre mehr in unserer Podcastfolge mit Patrick Becker über die spannende Geschichte von Hiltl.
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Über den Let's Talk Strategy Podcast
Veränderte Märkte, neue Erwartungen, unkonventionelle Lösungen: Jedes Gespräch führt hinter die Kulissen der spannendsten Unternehmen in der Schweiz. Von der Traditionsmarke bis zum Start-up.
Marketingverantwortliche und Geschäftsführer:innen von in der Schweiz tätigen Unternehmen berichten über die Lancierung, (Re)Positionierung oder Weiterentwicklung ihrer Marke: Wen sie damit erreichen, wie sie sich von der Konkurrenz unterscheiden und was ihre Marketingstrategie ausmacht. Ein Blick auf die Trends, und wie sich diese auf die Zukunft des Unternehmens auswirken, rundet jede Folge ab.
Tanja Herrmann führt durch den «Let’s Talk Strategy» Podcast. Sie ist Geschäftsführerin der Influencer- und Social Media Marketing Beratungsagentur House of Influence, Studiengangsleiterin an der HWZ für den CAS Marketingstrategie sowie Dozentin an diversen Schweizer Fachhochschulen im Bereich Marketing.
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