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Tanja Herrmann

Neues Influencer-Gesetz in Frankreich: Was bedeutet das für die Schweiz?



Rund 150'000 Personen sind in Frankreich als Influencer:innen tätig. Zwar bestehen bereits in den allermeisten Fällen Gesetze, die die Werbemassnahmen auch für Social Media regeln, dennoch gibt es immer wieder Unklarheiten.


Genau das wollte Frankreich nun ändern: Im Januar rief der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire über Twitter zu einem öffentlichen Austausch zum Thema Influencer:innen auf.

Bis Ende des Monats konnten Französinnen und Franzosen auf einer eigens eingerichteten Website ihre Meinung zu den Vorschlägen der Regierung äussern. Im März folgte dann der «Code of Conduct» für Influencer:innen und ein Vorschlag für konkrete Massnahmen durch die Minister. Der aus diesen Arbeiten hervorgegangene Gesetzesvorschlag wurde vom Parlament nun am 1. Juni 2023 einstimmig angenommen.


Mit diesem Gesetz ist Frankreich das erste europäische Land und eines der ersten Länder weltweit, das einen umfassenden Rahmen für die Regulierung der Influencer:innen umsetzt.


Dass es Frankreich ernst mit dem Gesetz meint, zeigt auch die Schaffung 15 neuer Stellen für Vollzeitbeamte für die neue Fachstelle «l’influence commerciale»




Die wichtigsten Inhalte


Unter anderem reguliert das Gesetz folgende Punkte:


  • Rechtliche Definition der kommerziellen Influencer-Tätigkeit

  • Anwendung der Regelung für Kindermodels auf minderjährige Influencer:innen

  • Kennzeichnungspflicht für Werbung, retuschierte und mit AI-generierte Bilder

  • Zwingende Haftpflichtversicherung für Influencer:innen

  • Werbeverbot für Schönheitsoperationen, Nikotin, Therapieverzicht, Wildtiere und Finanzdienstleistungen

  • Verpflichtung zu einem schriftlichen Vertrag zwischen Marken, Agenturen und Influencer:innen ab einem bestimmten Betrag

  • Transparenz- und Haftungspflichten beim Dropshipping

  • Haftung der Plattformen, um illegale Inhalte zu entfernen



Wer ist nach französischen Gesetz Influencer:in?

Die Definition bringt es auf den Punkt: Sobald die Infleuncer:in eine finanzielle Gegenleistung oder Sachleistungen erhält, um für eine Marke zu werben, ist die Person ein:e Influencer:in.


Wie schützt das Gesetz Minderjährige?

Mom- und Dadfluencer:innen zeigen auf ihren Profilen ihre Kinder. Auf der anderen Seite betreiben Teenager bereits höchst erfolgreich ihre eigenen Social-Media-Kanäle. Ein Thema, das auch in anderen Ländern immer wieder rege diskutiert wird. Frankreich hat hier klare Gesetzte geschaffen. Dieses Kindermodel-Gesetz findet nun auch bei Influencer:innen Anwendung. Als Kind gelten alle unter 16-jährigen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Eltern ihre Zustimmung für eine Kooperation geben müssen UND, dass 90% des Einkommens aus dieser Tätigkeit bis zur Volljährigkeit im Namen des Kindes hinterlegt werden müssen.


Die altbekannte Werbekennzeichnungspflicht

Influencer:innen müssen – wie in der Schweiz auch - ihre Werbeinhalte deutlich mit dem Hinweis "Werbung" oder "bezahlte Partnerschaft" kennzeichnen. Der einzige Unterschied: in Frankreich hat es nun klare Konsequenzen, wenn Influencer:innen dies nicht tun - nämlich bis zu 300'000 EUR Geldstrafe oder eine 2-jährige Freiheitsstrafe.


Deklaration retuschierter Bilder und AI-generierter Inhalte

Auch die Debatte über die klare Deklaration bei retuschierten Bildern ist nicht neu. So kennen bereits andere Länder klare Gesetze, die vorschreiben, dass retuschierte Bilder in der Werbung als solche gekennzeichnet werden müssen – für Influencer:innen mit dem Hinweis "retuschierte(s) Bild(er)".


Neu ist hingegen der Zusatz von AI-generierten Inhalten – auch diese müssen künftig von Influencer:innen mit dem Hinweis «virtuelles Bild» deklariert werden.


Schriftliche Verträge

Influencer, ihre Agenten oder Werbetreibende müssen ab einem bestimmten Schwellenwert für Vergütung oder Sachleistungen schriftliche Verträge abschliessen.

Diese Verträge müssen bestimmte obligatorische wie Klausen, wie übertragene Aufgaben, Vergütungsbedingungen sowie die Unterwerfung unter französisches Recht - wenn Abonnent:innen in Frankreich angesprochen werden - enthalten.


In der Schweiz können viele Verträge auch mündlich abgeschlossen werden. Warum wir dennoch auch in der Schweiz allen Parteien dringend empfehlen, klare Verträge abzuschliessen, und was diese enthalten sollten, erklären wir in diesem Beitrag.



Haftpflichtversicherung innerhalb der EU / Schweiz

In der Schweiz ist die Betriebshaftpflichtversicherung bei heute in den meisten Fällen keine Pflicht (aber äusserst empfehlenswert!). Anders sieht es nun in Frankreich aus: hier müssen Influencer:innen, nun eine Haftpflichtversicherung abschliessen. Diese Bestimmungen gelten für Influencer:innen unabhängig von ihrem Standort (!), wenn sie sich an ein französisches Publikum wenden.


Ein Beispiel: Ich bin ich eine Schweizer Influencer:in und wohne in Lausanne. Ein relevanter Teil meiner Community ist aus Frankreich. Dies sehe ich in meinen Insights auf dem Social Media Profil.
Nun bewerbe ich ein Produkt, das in Frankreich einfach erhältlich ist und verlinke in der Story einen Online-Shop, der direkt nach Frankreich liefert. Per Definition richtet sich meine Werbemassnahe nun (auch) an die Einwohner:innen in Frankreich. Und damit unterliege ich auch der dortigen Gesetzgebung.

Influencer, die nicht in Europa ansässig sind, müssen eine juristische oder natürliche Person in Europa benennen, die dafür sorgt, dass ihre Verträge mit dem französischen Recht übereinstimmen, und die auf Anfragen von Behörden reagiert. Alle Influencer:innen müssen unabhängig von ihrer Betriebsart eine Berufshaftpflichtversicherung in der Europäischen Union abschliessen, wenn sie ausserhalb der Europäischen Union, der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig sind.



Folgende Produkte und Dienstleistungen dürfen nicht (mehr) beworben werden:


Des Weiteren hat Frankreich zusätzliche Bereiche reguliert. Während Tabak- und Alkoholwerbung schon länger reguliert sind, dürfen Influencer:innen neu für folgendes nicht mehr werben:


  • Schönheitschirurgie und -medizin

  • Bestimmte Finanzprodukte und -dienstleistungen (insbesondere Kryptowährungen)

  • Der Verzicht auf therapeutische Massnahmen (Es ist auch verboten, direkt oder indirekt für Produkte, Handlungen, Verfahren, Techniken und Methoden zu werben, die als vergleichbar, vorzugswürdig oder substituierbar mit therapeutischen Handlungen, Protokollen oder Verschreibungen dargestellt werden)

  • Abonnements für Sporttipps oder -prognosen

  • Werbung mit Wildtieren (ausser in Zusammenarbeit mit Zoos)


Zudem sind Geld- und Glücksspiele zum Schutz von Minderjährigen stark eingeschränkt.


Dropshipping

Beim Dropshipping oder "Direktversand" werden die Influencer:innen neu gegenüber der Käuferschaft haftbar gemacht.


Der Influencer-Leitfaden

Was ein bisschen bider klingt, ist eine praktische Wegweisung, die auf die wichtigsten Fragen in der Branche klare Antworten gibt. Urheberrechte, freie Meinungsäusserung und Tipps zu Verträgen sind dort in einfacher Sprache erklärt.


Viele Erklärungen finden so in der Schweiz auch Anwendung. Eine auf Deutsch übersetzte Version (Danke Deepl) kannst du zu Informationszwecken hier herunterladen. Das französische Original gibt es hier.


Wer noch mehr über die rechtliche Situation in der Schweiz wissen möchte, kann in unsere zwei Sonderfolgen «Let’s Talk (Legal) Strategy» auf Spotify und Co. reinhören. Dort beantwortet der Anwalt Thierry Burnens die wichtigsten Fragen in sympathischem Berndeutsch.



Die Strafen

Influencer:innen, die gegen die im Gesetzentwurf festgelegten Verbote oder Verpflichtungen verstossen, müssen mit einer bis zu sieben-jährigen Gefängnisstrafe, Geldstrafen bis zu 750'000 EUR sowie einem Berufsverbot rechnen.


Im Gespräch mit dem SRF durften wir bereits eine kurze Einschätzung teilen. Während in der Schweiz zwar vieles schon über andere Gesetze geregelt ist, fehlt in der Schweiz die klare Konsequenz bei einem Verstoss - genauso wie die Präzedenzfälle. Eine klare Gesetzgebung, die die Spielregeln – und den Verstoss gegen diese klar regelt, anerkennt einerseits den Berufszweig der Influencer:innen und Schützt andererseits Minderjährige und Konsument:innen.



Was bedeutet dies nun für die Schweiz?

Gerade Influencer:innen in der französischsprachigen Schweiz dürften von dieser Regulierung betroffen sein. Denn oft machen französische Follower:innen einen relevanten Teil ihrer Community aus – und damit unterliegen sie schnell dem französischen Gesetz (siehe Erklärung im Abschnitt Haftpflichtversicherung).


Wichtig ist dabei insbesondere, dass für alle Beteiligten am Werbemarkt die gleichen Regeln herrschen – unabhängig vom Medium. Gerade die Kennzeichnung retuschierter oder AI-generierter Bilder über alle Kanäle hinweg, wäre eine wichtige Erweiterung unserer Gesetze - für alle.


Auf der anderen Seite: Was für Influencer:innen nicht erlaubt ist, sollte auch für Print, TV, Kino, Plakat und Co. verboten sein. Die Standards müssen für alle Werbetreibenden die gleichen sein.


Als letzter Punkt sollte das Gesetz so ausgestaltet sein, dass für Verstösse nicht die Influencer:innen alleine haften, sondern auch die Manager:innen, Agenturen und Marken, die die Inhalte so in Auftrag gegeben und abgenommen haben.





Quellen:



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